Beim Besuch einer Patientin am Abend hatten sich sehr viele harmlose „Motten“ – angelockt von dem hellen Küchenlicht – durch das offene Fenster, hier versammelt und das fand sie sehr ärgerlich. Als ich ihr sagte: „ Lassen Sie doch das Fenster geschlossen, dann können sie nicht herein!“ antwortete sie: „ Ich muss (!) immer ein Fenster oder die Tür offen haben!“
Ich stellte sie auf die Probe und sagte: „ Stellen Sie sich mal vor, ich gehe jetzt herum und mache alle Fenster und die Haustür zu!“ Sie wurde sofort blass und erwiderte:
„ Dann bekomme ich Beklemmungen und Angstgefühle!“
Die Angst vor dem Eingeschlossensein nennt man Klaustrophobie. Nun ist es im ständig ausgeglichenen Klima von Teneriffa weiter kein Problem, Türen und Fenster Tag und Nacht offen zu haben, abgesehen von den auf das Licht zufliegenden „ Motten“! Aber der Ehemann der Patientin wollte Nachts die Fenster und die Tür geschlossen haben, wohl weil er sich dann sicherer fühlte oder auch aus anderen Gründen und so war ein gewisses Hin und Her zwischen den Eheleuten vorprogrammiert.
Als ich nach einem zugrunde liegenden Ereignis fragte, konnte sie sich zunächst nicht an etwas Derartiges erinnern. So lenkte ich ihr Gedächtnis rückwärts in die Vergangenheit, welche ich durch Erzählungen ein wenig kannte. Ich sagte ihr, sie solle sich an die Hochzeit mit ihrem jetzigen – dem 2. – Ehemann erinnern und dann an die Geburten ihrer drei Kinder und an ihre 1. Hochzeit und an ihren Schulabschluss und irgend etwas aus der Schulzeit und an den ersten Schultag und die Zeit vor der Schule und – – –
da sah sie mich groß an und sagte: „Ich habe mich als kleines Mädchen über eine Regentonne gebeugt und hineingeschaut und bin kopfüber hineingefallen. Es hatte kurz vorher geregnet und so war die Tonne gefüllt mit grünlichem stinkendem Wasser. Ich war mit dem Kopf unter Wasser, konnte nicht schreien und wäre ertrunken Nur meine Beinchen haben noch herausgeschaut! Zum Glück hat meine Mutter mich beobachtet und sie kam natürlich sofort herbeigerannt und hat mich an meinen Beinchen wieder herausgezogen!“
Damit kannten wir zwar die auslösende Ursache für ihre Klaustrophobie – aber geheilt war sie damit natürlich nicht, denn „ logische Argumente“ verfangen bei einer Phobie nie!
So beschloss ich, mit ihr den Phobieprozess nach Bandler und Grinder durchzuführen.
Ich sagte: „Stellen Sie einmal vor, sie sehen sich dieses Ereignis noch einmal an– es ist alles schon lange her und weit weg in der Vergangenheit , so wie einen Film oder wie einen Videoclip mit Ihnen als dem kleinen Mädchen, welches Sie damals – vor 60 Jahren – einmal waren. Zunächst lassen Sie alles in Schwarz – Weiß ablaufen, wie das kleine Mädchen in die Tonne hineinfällt und ihre Mutter angerannt kommt, bis zum Ende, wie Sie wieder vor der Regentonne stehen – – – und dann machen sie alles farbig und schauen nicht mehr nur von außen zu, sondern hüpfen Sie in das Geschehen hinein und lassen alles in Farbe ganz schnell im Rückwärtsgang zurückspulen, wie bei einem Video im schnellen Rücklauf , sogar ihre Mutter rennt rückwärts wieder weg und lassen Sie sich zuletzt wie einen Sektkorken rückwärts aus der Regentonne wieder herausschießen und davor stehen.
Es scheint ein bisschen schwierig und falls es Ihnen leichter fällt, dann machen Sie diesen inneren Film mit geschlossenen Augen – und – machen Sie es jetzt!!!“
Sie machte die Augen zu und nach einer Weile auf und ich sagte: „ Ich habe etwas vergessen, Ihnen zu sagen, dass Sie es nicht mit Genuss und langsam tun sollen, sondern bitte machen Sie möglichst schnell und besonders den Rücklauf machen Sie ganz schnell. Sie machte auch das und ich feuerte sie nochmals an, es ganz schnell zu machen und gleich ein paar Mal und dazwischen jedes Mal die Augen zu öffnen. Sie machte auch mit und als sie die Augen wirklich nur für einen „ Augenblick“ schloss und fast sofort wieder öffnete, sagte ich zu ihr – um den Erfolg meiner Therapie sofort zu testen: „Jetzt ist es gut! – – – und jetzt stellen Sie sich einmal vor, ich würde die Tür und alle Fenster schließen!“
Sie schaute mich nur verwundert an, wurde nicht mehr blass und meinte erstaunt: „ Es macht mir nichts mehr aus!“ – – –
– – und dabei blieb es auch bis jetzt. Sie hat wegen der frischen Luft noch immer lieber Fenster oder Tür offen – aber es „muss“ nicht sein und so hat sie die innere Freiheit die Türen oder Fenster zu schließen oder offen zu lassen bekommen. Die Klaustrophobie ist geheilt.